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Doppelstränge aus Nukleinsäuren (egal ob aus DNA oder RNA) werden durch Wasserstoff-Brückenbindungen zwischen den komplementären Basen zusammengehalten. In der DNA werden zwischen Guanin und Cytosin drei Brücken ausgebildet, während Adenin und Thymidin nur durch zwei Wasserstoffbrücken aneinander gebunden sind. Bindungen zwischen Guanin und Cytosin sind deshalb stärker.

Wenn man eine Lösung von definierter doppelsträngiger Nukleinsäure erhitzt, wird man mit zunehmender Temperatur in einen Bereich kommen, in dem die Doppelstränge sich voneinander lösen und in Einzelstränge übergehen. Oberhalb einer bestimmten Temperatur liegen alle Moleküle als Einzelstränge vor. Wenn man die Temperatur dann langsam wieder absenkt, werden sich die Einzelstränge wieder zunehmend zu Doppelsträngen zusammen finden, also hybridisieren. Wenn man den Anteil einzelsträngiger Nukleinsäuren gegen die Temperatur aufträgt, erhält man die sogenannte Schmelzkurve. Der wichtigste Kennwert zur Beschreibung dieser Kurve ist der Tm-Wert (temperature of melting). Er gibt für einen definierten Doppelstrang die Temperatur an, bei der 50% der Doppelstränge als Einzelstränge vorliegen. Dieser Wert wird von der Zusammensetzung der Doppelstränge aber auch von den Eigenschaften des Lösungsmittels beeinflusst. Hierzu gehören

  • die Länge der Nukleinsäure: je länger die Stränge desto fester die Bindung und desto höher ist der Tm-Wert
  • deren Basenzusammensetzung: je höher der Anteil an Cytosin und Guanin in den Strängen ist, desto höher ist der Tm-Wert.
  • die chemische Natur der gebildeten Hybride (DNA-DNA, RNA-DNA oder RNA-RNA): RNA-RNA-Hybride sind stabiler als DNA-DNA-Hybride. Mischhybride nehmen eine Mittelstellung ein.
  • der Anteil falscher Basenpaarungen: bis zu einem gewissen Grad paaren sich auch Einzelstränge, auch wenn sie nicht 100% zusammenpassen (wie im richtigen Leben ;-). Ein höherer Anteil falscher Basenpaarungen (“mismatches”) erniedrigt den Tm-Wert
  • die Salzkonzentration der Lösung: je höher die Salzkozentration (gemeint sind insbesondere Natriumionen) desto stabiler das Hybrid und desto höher der Tm-Wert
  • der Zusatz bestimmter adjuvanter Chemikalien: Einige apolare Zusätze, wie z.B. Formamid, wirken destabilisierend und senken den Tm-Wert ab.

 

Für Nukleinsäuren mit mehr als 80 Basenpaaren (bp) gibt eine Formel, um dem Tm-Wert annäherungsweise bestimmen zu können:

Tm = 81,5°C + 16,61(log M) + 0,41(%CG) – 820/L – 0,6(%FA) – 1,4(%mismatch)

wobei

  • M         : Molarität der Hybridisierungslösung
  • %CG      : Anteil der Basen C und G
  • L          : Länge der Sonde
  • %FA      : Prozent Formamid in der Hybridisierungslösung
  • %mismatch : Anteil nicht komplementärer Basen

 

Bei der in-situ-Hybridisierung wählt man für DNA-DNA-Hybridisierungen eine Temperatur, die 5 bis 10°C unter dem errechneteten Tm-Wert liegt, bei DNA-RNA-Hybriden muss man nur ungefähr 5°C absenken.

Für kleinere Stränge gibt es andere Näherungsformeln. Um die Annealing-Temperatur der Primer bei der PCR zu schätzen, hat sich in der Labor-Routine die “4+2-Regel” bewährt: Dabei werden für jedes Cytosin und jedes Guanin 4 gezählt, für jedes Adenin und jedes Thymidin 2. Die Summe ergibt die ungefähre Annealingtemperatur. Diese darf nicht allzu stark von der entsprechenden Annealing-Temperatur des anderen Primers abweichen.