Die Korpus-prädominante HP-Gastritis hat ein sehr hohes Karzinomrisiko

Uemura, N. et al. (2001): Helicobacter pylori infection and the development of gastric cancer. N Engl J Med 345: 784-789

Helicobacter pylori (HP) ist ein anerkanntes Karzinogen (ein sogenanntes Klasse-I-Karzinogen). Während HP bei der Verursachung von MALT-Lymphomen anerkannt ist, ist die Beziehung zwischen Magenkarzinomen und dem Keim unklar. Viele Studien haben auch hier eine positive Korrelation ergeben.

In diese prospektive Studie wurden 1526 Patienten mit gastroduodenalen Ulcera, gastraler Hyperplasie und Dyspepsie eingeschlossen. Ausschlussgründe waren

Es erfolgte eine primäre Gastroskopie mit den üblichen Biopsaten (2x Antrum, 2x Corpus und bei Herdbefunden weitere Biopsate) und mindestens eine Folgegastroskopie im Abstand von 1-3 Jahren. Zusätzlich wurde zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung Blut für einen serologischen HP-Antikörpernachweis entnommen. Es erfolgte eine Nachbeobachtung von im Median 7,8 Jahren (1,0 bis 10,6).

HP-Positivität wurde definiert als eine entsprechende Positivität beim Urease-Schnelltest, in der Histologie oder in der Serologie. Die histologische Auswertung erfolgte entsprechend der Sydney-Klassifikation. Intestinale Metaplasie (vorhanden/nicht vorhanden) und Atrophie (keine/mild/mäßig/schwer) wurden dokumentiert. Die entsprechend der entzündlichen Aktivität (d.h. der neutrophil-granulozytären Infiltration) wurden die Befunde in 4 Klassen eingeteilt:

Ergebnisse der Studie

Das Patientenkollektiv teilt sich auf in 1246 HP-positive und 280 HP-negative Patienten. Diese beiden Gruppen zeigten keine Unterschiede bezüglich Geschlecht, mittlerem Alter und der Anzahl der Gastroskopien (im Schnitt 7). Die Nachbeobachtungszeit war in der HP-negativen Gruppe gering aber signikant länger (7,6 versus 8,1 Jahre), weil zu Beginn der Studie 253 Patienten eradiziert wurden und die Nachbeobachtungszeit entsprechend korrigiert wurde. Ulcusleiden, entzündliche Aktivitäten, intestinale Metaplasien, eine Atrophie und hyperplastische Polypen wurden (fast) nur in der HP-positiven Gruppe gefunden (NSAR-behandelte Patienten sind ja ausgeschlossen).

Während der Studie entwickelten 36 Patienten (2,9 %) ein Magenkarzinom (endoskopisch und histologisch gesichert). Alle (100 % der) Karzinompatienten gehörten zur HP-positiven Gruppe. In der Untergruppe mit Eradikation entwickelte sich wie in der HP-negativen Gruppe kein Karzinom, auch wenn die Nachbeobachtungszeit nach Eradikation deutlich kürzer war (unbehandelt: 8,5 Jahre, eradiziert: 4,8 Jahre).

Bei der Korrelation der histologischen Befunde in der HP-positiven Gruppe mit der Entwicklung eines Magenkarzinoms ergab sich erwartungsgemäß eine positive Korrelation mit

Weitaus dramatischer wird das Karzinomrisiko erhöht, betrachtet man die histologischen Gastritis-Klassen:

Diskussion/Schlussfolgerung

Die HP-Gastritis hat in den letzten 13 Jahren, die ich überblicke, schon eine sehr wechselvolle Geschichte durchlebt. 1989, in meinem Praktischen Jahr, wurde die Existenz einer bakteriellen Gastritis noch als Außenseiterhypothese belächelt und in Fortbildungsveranstaltungen mit einem Halbsatz beiseite gewischt. Schon wenige Jahre später war die (Wieder-)Entdeckung von HP die medizinische Entdeckung des Jahrzehnts, ja die des Jahrhunderts. Das Ulkusleiden aber auch die aktive Gastritis konnten endlich kausal und damit effektiv und nachhaltig behandelt werden. Zudem wurde klar,dass HP als Karzinogen die MALT-Lymphome verursacht. In der zweiten Hälfte der 90-Jahre stellte sich aber heraus, dass die HP-Patienten mit der Sanierung des Magens nicht in allen Fällen sich gesundet fühlten und ein Teil der Patienten (natürlich dadurch, dass die Schleimhaut nicht mehr permanent geschädigt wird) eine gastro-ösophageale Refluxsymptomatik entwickeln. Dieses führte zu einem erneuten extremen Pendelausschlag bei der Bewertung der HP-Gastritis, die in den therapeutischen Richtlinien der Amerikanischen Gastro-Enterologischen Geselschaft kulminierten: mit Ausnahme des Ulkusleiden des Duodenums und in geringerem Umfang des Magens sollte HP nicht behandelt werden. Mehr noch: der Endoskopiker soll HP nicht beachten und nicht diagnostizieren (bzw. durch den Pathologen diagnostizieren lassen). Da endoskopisch keine valide Gastritisdiagnostik möglich ist, reduziert sich damit der diagnostische Wert der Gastroduodenoskopie auf den Ulkus- und Tumorausschluss. Patienten mit mittelgradig und hochgradig aktiven Gastritiden, die sehr häufig makroskopisch einen völlig blanden Schleimhautaspekt bieten, bleiben unbehandelt.

Die vorliegende prospektive Studie, deren Beginn kurz nach der Wiederentdeckung von HP liegt, bestätigt mehrere Aspekte aus anderen umfangreichen Arbeiten und fügt eine neue Sichtweise hinzu:

Diese epidemiologisch-histologische Studie beleuchtet HP als ätiologischen Faktor bei einer Reihe von Magenveränderungen und benennt Subgruppen HP-positiver Patienten mit einem außergewöhnlich hohen Karzinomrisiko. Ob die Eradikation eine wirkungsvolle Prävention darstellt, muss noch methodisch sauber bewiesen werden, angesichts dieser Ergebnisse ist es aber m.E. geboten, bei Vorliegen einer Korpus-prädominanten Gastritis unabhängig von der klinischen Symptomatik eine Eradikation durchzuführen. Diese Patienten sollten, solange der Wert der Eradikation nicht bewiesen ist, mindestens ähnlich intensiv wie Patienten mit intestinaler Metaplasie oder Atrophie endoskopisch beobachtet werden.

Insgesamt zeichnet sich hier ein Ergebnis ab, das in Bezug auf die Ätiologie und Prävention eine ähnliche Tragweite und Klarheit hat wie die Aussage “Rauchen verursacht Lungenkrebs”. (AT)

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