Die Überexpression des Östrogenrezeptors ist beim Mammakarzinom häufig durch eine Genamplifikation bedingt

Frederik Holst, Phillip R Stahl, Christian Ruiz, Olaf Hellwinkel, Zeenath Jehan, Marc Wendland, Annette Lebeau, Luigi Terracciano, Khawla Al-Kuraya, Fritz Jaenicke, Guido Sauter and Ronald Simon (2007): Estrogen receptor alpha (ESR1) gene amplification is frequent in breast cancer, Nature Genetics (advance online publication)

Es gibt mittlerweile selten Nachrichten in der Wissenschaft, die einen ob ihrer Einfachheit überraschen und man sich unwillkürlich fragt: “Hat denn da noch keiner dran gedacht und das überprüft?” Die medikamentöse Therapie des Mammakarzinoms besteht aktuell neben der Chemotherapie in der antihormonellen Therapie mit antiöstrogen Substanzen und für einen Teil der Patientinnen mit Antikörpern gegen das Rezeptorprotein HER2/neu (z.B. Herceptin®). Die Herceptin-Therapie hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn eine Überexpression des HER2-Gens vorliegt. Ursache der Rezeptor-Überexpression ist fast immer eine Amplifikation des HER2-Gens in den Karzinomzellen, d.h. es liegen in der Zelle deutlich mehr als nur zwei Genkopien, wie sonst üblich, vor.

Östrogenrezeptoren werden auch in normalen Drüsenepithelien in der Mamma gebildet und eine Reihe von epidemiologischen Daten deutet auf eine zentrale Rolle des Östrogens und seines Rezeptors bei der Entstehung des Mammakarzinoms hin. Die antiöstrogene Therapie zielt heute im Wesentlichen in zwei Stoßrichtungen: zum einen die Ausschaltung des Östrogenrezeptors in den Karzinomzellen durch Östrogenrezeptorantagonisten, zum anderen die Ausschaltung der Östrogenproduktion im Körper durch Aromatasehemmer. Der Therapieerfolg bei Östrogenrezeptorantagonisten ist weitgehend vom Östrogenrezeptorbesatz der Tumorzelle abhängig. Dies ist schon lange bekannt und die Bestimmung des Östrogenrezeptors gehört seit über 20 Jahren zu den Standarduntersuchungen beim Mammakarzinom. Mammakarzinome mit hohem Östrogenrezeptorbesatz werden i.d.R. mit dem Antagonisten Tamoxifen behandelt. Dieses Medikament machte bereits vor zwanzig Jahren Furore, da es das Leben von Frauen mit Mammakarzinomen deutlich verlängerte. Aber auch ein hoher Östrogenrezeptorbesatz bedeutet keine Sicherheit für das Ansprechen auf Tamoxifen. Zu dieser Frage eine bessere Vorhersage machen zu können, würde eine verbesserte Therapie ermöglichen und gleichzeitig Kosten sparen.

Der Schlüssel zur Lösung dieser Frage ist jetzt in Hamburg gefunden worden. Die Arbeitsgruppe um R. Simon am Institut für Pathologie am UKE konnte nachweisen, dass eine starke Expression des Östrogenrezeptors hoch signifikant mit einer Amplifikation des entsprechenden Gens ESR1 korreliert ist: Fast alle Karzinome mit einer ESR1-Amplifikation zeigen einen starken Östrogenrezeptorgehalt, während dies bei nicht amplifizierten Karzinomen nur in 66 % der Fall ist. Schon dieser Befund ist überraschend, weil er so nahe liegt. Gerade beim häufigsten Karzinom der Frau und der therapeutischen Bedeutung des Tamoxifens sind solche weißen Flecken in der Biologie des Mammakarzinoms erstaunlich. Die Amplifikation des ESR1-Gens wurde mit mehreren Methoden nachgewiesen. Bei über 2000 untersuchten Mammakarzinomen wurde die ESR1-Amplifikation in 20,6 % der Fälle gefunden. Sie stellt damit ein relativ häufiges Ereignis dar. In Analogie zu anderen Genen kann man in diesen Fällen mit Berechtigung von einer Überexpression des Östrogenrezeptors sprechen.

Unter den untersuchten Mammakarzinomen wurden 176 Fälle, die Tamoxifen erhielten, weiter untersucht. Das Überleben dieser Patientinnen korreliert positiv mit der Stärke der Amplifikation. Eine ESR1-Amplifikation (damit verbundene Rezeptor-Überexpression) ist mit einer besseren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden als eine Rezeptor-Überexpression ohne ESR1-Amplifikation. Dies bedeutet, dass die ESR1-Amplifikation tatsächlich therapeutische Implikationen hat.

Schließlich wird in der Arbeit auch gezeigt, dass eine Reihe von benignen Mammaläsionen und Vorläuferläsionen ebenfalls zu einem gewissen Prozentsatz bereits eine ESR1-Amplifikation aufweisen. So zeigen jeweils rund ein Drittel der Papillome, duktalen Carcinomata in situ und lobulären Neoplasien bereits eine ESR1-Amplifikation. Auch 8,3 % der gewöhnlichen duktalen Hyperplasien tragen diese Veränderung. Dieses zeigt, dass diese genomische Veränderung bereits früh in der Karzinomentwicklung einsetzt und möglicherweise für einen Teil der Mammakarzinome mitverantwortlich oder sogar ursächlich ist. Auch wenn es für Spekulationen verfrüht ist, könnte sich hieraus aber auch die Perspektive einer medikamentösen Prävention des Mammakarzinoms ergeben. (AT)

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