Körpereigene Stammzellen. Ersatzteillager für kranke Organe?

Wer kennt sie nicht, die fazinierende Geschichte des Göttersohns Prometheus. Täglich hackt ihm der Adler ein Stück seiner Leber heraus, die alsbald von neuem heranwächst, und so aus eigener Kraft neues Gewebe bildet. Der einstige Mythos von unbegrenzter Organneubildung ist in der heutigen modernen Medizin Gegenstand intensiver Forschungen geworden. Die Hoffnung, in naher Zukunft kranke oder verletzte Organe ganz oder teilweise zu regenerieren, scheint berechtigt. Jeder erwachsene Organismus besitzt eine „stille Reserve“ an unreifen, teilungsfähigen Zellen, die bei Bedarf ausschwärmen und in erkrankten Körperregionen den Platz der defekten Zellen einnehmen. Hier ersteinmal angelangt, dienen sie nicht nur als Platzhalter, sondern können durch Differenzierungsprozesse auch die spezialisierten Funktionen der ursprünglichen, jetzt erkrankten Zellen, übernehmen.

Erst kürzlich haben Forschergruppen über die Fähigkeit von adulten Stammzellen berichtet, sehr verschiedene Körperregionen, wie Herz, Leber und Gehirn zu besiedeln und dort zu funktionsfähigen Zellen heranzureifen. Quaini et al.¹ konnten nachweisen, dass nach einer Herztransplantation in das fremde Herzgewebe körpereigene unreife Stammzellen des Transplantatempfängers einwandern und dort wahrscheinlich zu Zellen des Gefäßsystems und der Muskulatur heranreifen können. Gleichartige Ergebnisse gelangen auch Körbling et al.², die zeigten, dass nach Transplatation von Knochenmarkszellen diese sich im Empfänger in dessen Leber, Magen-Darmtrakt und Haut einnisteten und dort zu reifen Zellen heranreiften. Schließlich berichteten Chang et al.³, dass selbst in einem so empfindlichen Organ, wie dem Gehirn, Vorläuferzellen existieren, welche defekte Markscheiden bildende Zellen (Oligodendrozyten) ersetzen können, die z.B. bei der Multiplen Sklerose durch einen Autoimmunprozeß regelhaft zu Grunde gehen.

Diese drei Beispiele zeigen in eindrucksvoller Weise, dass der adulte Organismus über Reservezellen verfügt, die bei Bedarf in der Lage sind, erkrankte Zellpopulationen zu ersetzen. Die zukünftige Forschung muß sich damit beschäftigen, bei der Vielzahl von Erkrankungen geeignete Wege zu finden, diese Resevezellen zu mobilisieren, gerichtet wandern zu lassen und am Zielort auch in die gewünschte Zellart ausreifen zu lassen. (AG)

Histologische Schnitte aus der Arbeit von Quaini et al.¹, die zeigen dass das Herz des Transplantatempfängers durch verschiedene unreife Stamm-zellen des Organempfängers besiedelt werden. Die Stammzelllen sind durch spezifische Anti-körper grün markiert (Pfeile) ihr Zellkern er-scheint blau. Das transplantierte Herzgewebe ist rot gefärbt.

Line111
Line110
Allgemeines Aufgaben Methoden Arbeitsablauf Klassifikationen Service

© 2001-2014
Dr. A. Turzynski
Gemeinschaftspraxis
Pathologie
Lübeck